Was ist los im Kaffeemarkt?

 

Derzeit häufen sich folgende Fragen im Röstorium:

  • Was ist los im Kaffeemarkt?
  • Warum wird Kaffee so teuer?
  • Gibt es den „Busy Donkey“ nicht mehr?

Hier meine (kurzen) Antworten dazu:

  • Alles ist miteinander verknüpft…
  • Es gibt kein Falsch und Richtig (außer in einem klar definierten Bezugsrahmen)…
  • Jein 🙂

Der etwas längeren Antwort möchte ich gerne die rund 200 Jahre alten Worte John Ruskins voranstellen:

Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht jemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte. Und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.

 

Es ist unklug zu viel zu bezahlen, aber es ist genauso unklug zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Bezahlen Sie dagegen zu wenig, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.

 

Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es,  für wenig Geld viel Wert zu erhalten … Das funktioniert nicht. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das eingegangene Risiko etwas hinzurechnen. Wenn Sie das aber tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.

Klimawandel

Immer mehr alarmierende Berichte erscheinen in allen Medien. Überschriften wie z.B.

Experten alarmiert
Alltagsprodukt wird immer mehr zum Luxusgut
Die Kaffeepreise sind zuletzt stark gestiegen. Nun schlagen auch Experten Alarm, weil sich Kaffee vom Alltagsprodukt zum Luxusgut entwickeln könnte…

Focus Finanzen und Wirtschaft vom 29.03.2025

sorgen für ein panikartiges Klima, in welchem selektiv „Schuldige“ wie beispielsweise der allseits beliebte Klimawandel, gesucht werden.

So schreibt die Financial Times:

In Brasilien, dem größten Produzenten von Arabica-Kaffee, haben anhaltende Dürreperioden und Hitzewellen die Ernteerträge erheblich reduziert. Ähnliche Wetterprobleme in Vietnam, dem Hauptproduzenten von Robusta-Kaffee, haben ebenfalls zu Ernteausfällen geführt. Diese klimabedingten Einbußen verringern das weltweite Kaffeeangebot und treiben die Preise nach oben.

Auf dem ersten Blick logisch und stringent – aber ist es wirklich so einfach? Könnte es nicht auch sein, dass in den letzten rund 35 Jahren Kaffee viel zu billig verkauft wurde? Ich versuche das in Bezug auf die zwei oben genannten Länder etwas zu verdeutlichen.

Kaffee ist eine Halbschattenpflanze und hat seine optimalen Bedingungen im Mischanbau mit z.B. Bananenpflanzen oder im Urwald. Das Problem daran ist, dass eine maschinelle und damit billige Bearbeitung hier nicht möglich ist.

Zweiter, oft vergessener Punkt ist, dass bei den meisten Kaffee Arten alle Entwicklungszustände gleichzeitig vorhanden sind. Das heißt von der Blüte bis zur überreifen Kirsche ist alles gleichzeitig an einem Ast. Auch hier ist teure, menschliche Arbeit gefordert, indem ein Pflücker bis zu fünf mal an ein und den selben Zweig gehen muss um immer nur die reifen Kirschen zu ernten.

Dies ist für einen billigen „Industriekaffee“ nicht rentabel und so begann Brasilien schon in der ersten Boomphase zwischen 1850 und 1900 mit riesigen Abholzungen für Kaffeeplantagen.
Die damals hauptsächlich betroffenen Region war der Atlantische Regenwald (Mata Atlantica), von dem heute nur noch weniger als 15% seiner ursprüngliche Fläche erhalten ist.

Eine zweite, noch größere Welle begann in den 1970er Jahren. Hier wurden Flächen im Landesinneren in der Größe von ganz Hessen (rund 2,2 Mio. Hektar) abgeholzt und in Monokulturen umgewandelt…

Gespritzt, gedüngt und künstlich bewässert, mit vollautomatischen Erntemaschinen bearbeitet entsteht so ein Raubbau an der Natur in unvorstellbarem Maßstab und brachte damit Brasilien auf dem Treppchen der Kaffee Exportnationen weltweit an die Spitze.

In Vietnam begann der Prozess der großflächigen Abholzung verstärkt in den 1990er und frühen 2000er Jahren. Weite Teile tropischer Regenwälder wurden für Robusta-Plantagen gerodet. Dabei verlor Vietnam etwa 30% seiner natürlichen Waldfläche.

Die Folgen:

Massive Bodenerosion, verringerte Wasserspeicherung, Rückgang der Biodiversität, Versauerung und Verdichtung der Böden und und und.

  • Geringere Widerstandsfähigkeit gegen Klimaänderungen
  • Erhöhte Anfälligkeit für Schädlinge und Krankheiten
  • Bodenerschöpfung und abnehmende Erträge
  • Abhängigkeit von wenigen Varietäten (da komme ich später noch darauf zurück)

Monokulturen sind ein zentraler Grund für die aktuelle Situation auf dem Kaffeemarkt. Ein nicht ausschließlich auf höchsten Profit orientierter diversifizierter Anbau mit Schattenbäumen und Mischkulturen würde diese Probleme mildern.

Steigende Nachfrage

„Die weltweite Nachfrage nach Kaffee wächst kontinuierlich, insbesondere in Schwellenländern wie Brasilien, Mexiko und Indien. Diese Länder, die früher hauptsächlich exportierten, verzeichnen nun einen erhöhten Binnenkonsum, was das verfügbare Angebot auf dem Weltmarkt weiter verknappt“, schreibt z.B. Die Welt.

Komischerweise wurde hier der am schnellsten wachsende Kaffeemarkt komplett vergessen, nämlich China.

Im Jahr 2017 produzierte Brasilien etwa 45 Millionen Säcke Kaffee und exportierte weniger als 83.000 Säcke nach China. Dies entspricht ungefähr 0,18 % der gesamten brasilianischen Kaffeeproduktion. Im Vergleich dazu wurden im Erntejahr 2023/24 zwischen 58 und 66 Millionen Säcke produziert, wovon etwa 1,5 Millionen Säcke nach China exportiert wurden, was einem Anteil von etwa 2,3 % bis 2,6 % entspricht. Somit hat sich der prozentuale Anteil der Kaffeeexporte nach China im Verhältnis zur Gesamtproduktion von 2017 bis 2023/24 um etwa das 13 bis 14 fache erhöht.

Eine so dynamische Entwicklung im Kaffeemarkt hatte es zuvor noch nicht gegeben.

Dies wurde unter anderem durch das Entstehen großer einheimischer Kaffeehausketten gefördert:
2017 wurde „Luckin Coffee“ gegründet. 2020 betrieben sie schon 4507 Geschäfte und übertrafen damit die Anzahl der Starbucks Filialen in China.
2022 wurde „Cotti Coffee“ gegründet mit inzwischen über 6000 Filialen in 28 Ländern und die schon 1997 als kleines Eiscafé gegründete Kette „Mixue Ice Cream & Tea“ übertrifft inzwischen mit 45.000 Filialen McDonald’s und Starbucks und ist damit die größte Schnellrestaurantkette der Welt.

EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)

„Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) ist eine Verordnung der Europäischen Union, die darauf abzielt, sicherzustellen, dass bestimmte Produkte, die auf dem EU-Markt bereitgestellt oder aus der EU exportiert werden, nicht zur Entwaldung oder Waldschädigung beitragen. Sie trat am 29. Juni 2023 in Kraft und betrifft Rohstoffe wie Rindfleisch, Holz, Kakao, Soja, Palmöl, Kaffee, Gummi und einige daraus hergestellte Produkte.
EU-Handel

Unternehmen, die diese Produkte in der EU verkaufen oder aus der EU exportieren möchten, müssen nachweisen, dass ihre Waren nicht mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen. Dies erfordert die Implementierung von Sorgfaltspflichten, einschließlich der Rückverfolgbarkeit der Lieferketten bis zum Ursprungsort und der Bereitstellung von Geolokalisierungsdaten.
BMEL

Ursprünglich sollte die Verordnung ab dem 30. Dezember 2024 angewendet werden. Aufgrund von Verzögerungen wird die Anwendung jedoch voraussichtlich bis Dezember 2025 verschoben.
Die EUDR hat weltweit Diskussionen ausgelöst. Einige Länder und Branchen äußern Bedenken hinsichtlich möglicher Handelshemmnisse und zusätzlicher bürokratischer Belastungen. Gleichzeitig wird die Verordnung von Umweltschutzorganisationen als wichtiger Schritt im Kampf gegen die globale Entwaldung angesehen.
Die Welt

Nicht nur dass mal wieder eine eigentlich gute Idee auf europäischer Ebene zu einem bürokratischen Monster wird – so konnten letztes Jahr z.B. noch gar keine Aufforstungsprojekte offiziell bei den Behörden angemeldet werden – sondern die Großkonzerne haben sich praktisch der Verantwortung entzogen…

Gemäß der EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) dürfen Produkte, die nach dem 31. Dezember 2020 auf Flächen produziert wurden, die entwaldet wurden, nicht auf dem EU-Markt verkauft oder aus der EU exportiert werden. Abholzungen, die vor diesem Datum stattfanden, fallen nicht unter diese Regelung.
EU-Außenbeauftragter

Und wie wir oben gesehen haben wurden in Brasilien und Vietnam schon vor diesem Zeitpunkt die großen Abholzungen getätigt.

Zusätzlich erzeugt diese Regelung für die Bauern in den Anbauländern weiter hohe Kosten. Werden diese dann lieber die EU oder z.B. China beliefern – könnte man provokant fragen.

Spekulanten an den Rohstoffmärkten

Die Aussicht auf knappe Kaffeevorräte hat Spekulanten angezogen, die auf weiter steigende Preise setzen. Diese Aktivitäten verstärken die Preisdynamik zusätzlich.
Financial Times

Erhöhte Transportkosten

Globale Lieferkettenprobleme und steigende Transportkosten beeinflussen ebenfalls den Kaffeepreis. Höhere Frachtkosten u.a. durch gestiegene Energiekosten werden an die Verbraucher weitergegeben, was den Endpreis von Kaffee erhöht.
Die Welt

Eigentlich wollte ich jetzt noch einen Absatz über die Großkonzerne schreiben, die sich als Wohltäter der Welt darstellen, weil sie Millionen in Forschung und Entwicklung neuer Kaffee Sorten investieren. Diese sollen mehr Ertrag liefern und resistenter gegen die Umwelteinflüssen sein. Die Information, dass dieses Saatgut dann von diesen Firmen patentiert wird, taucht natürlich nicht in den Hochglanz Broschüren auf.

Oh – und das Thema Freihandel wollte ich auch noch ansprechen – aber wohl besser in einem getrennten Artikel. Hier wurden jetzt aus einer geplanten Seite schon vier…

Nun noch zum „Busy Donkey“

Leider sind meine Einkaufspreise für diesen nochmals gestiegen, so dass ich bei einer vernünftigen Kalkulation über 50,–€ pro kg verlangen müsste. Das ist für mich nicht in Ordnung. Schöne Alternativen sind der neue Peru und der Brasilien Arabica.

Sobald sich die Preise beruhigen, kommt der „Donkey“ natürlich zurück – er war ja nicht umsonst meine beliebteste Bohne.

Fröhliche Grüße

Detlef

Dr. Kaffees Röstorium
20.04.2025

Foto: Adobe Stock/Media Lens King